BLECHLAWINE IMMER GRÖSSER

Peking verlost Nummernschilder

26.01.2011 - Von Hanno Kautz • BILD

 

Weil der Verkehrskollaps droht, wird Autofahren in Peking jetzt zum Lotteriespiel. Seit heute werden die 240 000 neuen Nummernschilder, die pro Jahr in Chinas Hauptstadt nur noch ausgegeben werden, verlost.

 

Am Mittwoch gab es die ersten 17 600, jeden Monat sollen es 20 000 sein. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in Peking 800 000 Autos neu zugelassen, zwischen 2000 und 5000 täglich.

 

 

PEKING ZIEHT DIE REISSLEINE

 

Pekings Stadtverwaltung, Mittwochmorgen, 10 Uhr. Den Behörden ist offenbar bewusst, dass sie tief ins Privatleben ihrer Bürger eingreifen. Ausländische Journalisten sind zur ersten Verlosung nicht zugelassen. Dafür wird sie live im Fernsehen übertragen. Gleich zu Beginn der neuen Auto-Regeln will Chinas Hauptstadt jeden Anschein vermeiden, dass geschummelt wird. Sogar die Jurybesetzung wird gelost. Aus einem durchsichtigen Kasten zieht eine Lottofee sechs blaue Bälle mit Nummern. Die sechs Jury-Mitglieder dürfen danach nacheinander ein Computerprogramm auslösen, das die begehrten 17 600 Nummernschilder vergibt.

Der Andrang auf die Lizenzen ist groß. Rund 200 000 Pekinger hatten sich für die erste Runde beworben.

 

SO WILL PEKING DIE BLECHLAWINE STOPPEN

 

Am 23. Dezember des vergangenen Jahres hatte die Stadtverwaltung die neuen Auto-Regeln verkündet. Kernpunkte: Pro Hauptstadtbewohner gibt es nur noch einen Wagen, maximal sollen es 240 000 neue Lizenzen pro Jahr sein und nur der kann sich darauf bewerben, der mindestens fünf Jahre in Peking Steuern gezahlt hat.

Peking hat die Ein-Auto-Politik ausgerufen. Eine harsche Reaktion, um den drohenden Verkehrsinfarkt zu vermeiden.

 

Offiziellen Angaben zufolge gibt es knapp fünf Millionen Autos in Chinas Hauptstadt und 6,25 Millionen Führerscheinbesitzer. Bei durchschnittlich 2000 Neuzulassungen pro Tag war es nur eine Frage der Zeit, bis der Stau auf Pekings Ringstraßen zum Dauerzustand wurde.

 

Gerüchte über die Neuregelungen hatten den Autoabsatz im Dezember angeheizt. Danach kam der Absturz. Sogar die Aktien ausländischer Automarken sackten ab.

 

Inzwischen hat sich die Lage deutlich beruhigt. Denn zum einen gibt es in China die Sicherheit, dass Regeln immer einen Weg bieten, diese zu umgehen. Und dass die Verkaufszahlen langfristig zurückgehen, das bezweifeln besonders die deutschen Automobilhersteller dann doch. Ihre Rechnung: Pekings Automarkt ist – gemessen am chinesischen Gesamtmarkt – relativ klein (laut Experten 6-7 Prozent). Außerdem sind geschätzt die Hälfte der Neuwagenkäufer in Peking von der Lotterie gar nicht abhängig: Wer seinen Alt- gegen einen Neuwagen tauscht, braucht kein neues Nummernschild.

 

Die ausländischen Autohersteller hoffen, dass die Erstkunden jetzt eher bei ihren Marken als bei den China-Mobilen zugreifen. Motto: Wenn schon ein Nummernschild, dann gleich ein richtiges Auto. VW-China-Chef Karl-Thomas Neumann zu BILD: „Auch mit den neuen Zulassungsregelungen gehen wir momentan von einem Zuwachs auf dem chinesischen Pkw-Markt im Jahr 2011 aus. Die Auswirkungen dieser Regelungen werden in diesem Jahr auf das Geschäft des Volkswagen Konzerns in China und auf den chinesischen Markt nicht erheblich sein.“